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Donnerstag, 28. März 2024
Rekord-Riese: Mercedes-Benz T 80 Drucken E-Mail
Geschrieben von Mercedes-Benz Classic   

Heft bestellen - Rekord-Riese: Mercedes-Benz T 80

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Ein spektakuläres Exponat ist vollendet: Mercedes-Benz Classic hat das originale Fahrgestell des legendären Rekordwagens Mercedes-Benz T 80 mit einem authentisch rekonstruierten Gitterrohrrahmen und einem DB 603 Schnittmotor versehen. In dieser Form tritt der Rekord-Riese aus dem Jahr 1939 erstmals in die Öffentlichkeit.

Das einzigartige Schaustück gibt umfassende Einblicke in die Konstruktion, die seinerzeit das schnellste Landfahrzeug der Welt sein soll. Der „Typ 80“ geht auf den Rennfahrer Hans Stuck zurück. Konstruiert wird er ab 1936 im Auftrag der damaligen Daimler-Benz AG von Ferdinand Porsche zunächst für die Zielgeschwindigkeit 600 km/h. Als Antrieb ist ein Mercedes-Benz Flugmotor vorgesehen. Wegen des Zweiten Weltkriegs kommt es nicht zu den für Februar 1940 auf der Autobahn bei Dessau geplanten Rekordversuchen, und der T 80 kann seine Leistungsfähigkeit nie unter Beweis stellen. Der Wagen wird ohne Motor im Juni 1940 eingelagert. Die Originalkarosserie zeigt das Mercedes-Benz Museum seit vielen Jahren. Das Fahrgestell ist nun zum ersten Mal als eigenes Objekt zugänglich.

Mercedes-Benz Classic gewährt faszinierende Einblicke in eines der spektakulärsten Fahrzeuge der Stuttgarter Marke aus den 1930er-Jahren: Die Experten von Mercedes-Benz Classic haben das originale Fahrgestell des Rekordwagens T 80 mit einem authentisch rekonstruierten Gitterrohrrahmen als Unterbau für die Karosserie versehen. So wird das Innere des T 80 nun wieder genau so präsentiert, wie Mercedes-Benz es vor acht Jahrzehnten konstruiert und gebaut hat.

Im April 2017 fällt die Entscheidung für das spektakuläre Projekt: Das Originalfahrgestell des T 80 soll ausstellungsfertig gemacht werden – als reines Demonstrationsobjekt ohne Fahrfähigkeit. Das ist aufwendig genug. Denn rund 80 Jahre sind an Fahrgestell und Antriebsstrang nicht spurlos vorübergegangen.

Auch das komplette Cockpit mit Lederlenkrad, Pedalerie, Instrumenten und dem nach wie vor mit dem originalen Stoff bezogenen Fahrersitz ist erhalten. Die Instrumentierung des T 80 besteht aus einem bis 4.000/min reichenden Drehzahlmesser als Zentralinstrument, einem Öldruckmesser und zwei Temperaturinstrumenten für Öl und Kühlwasser.

Gestartet wird das Fahrzeug mithilfe eines externen Anlassers am Kupplungsgehäuse. Der Zündschlüssel am Armaturenbrett schaltet nur die „Bestromung“ des Zündmagneten ein. Links neben dem Fahrersitz ist das Typenschild der „Daimler-Benz Aktiengesellschaft“ für den „Typ 80“ angebracht.

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Originales Zeitdokument


Um das Fahrgestell als originales Zeitdokument zu erhalten, konservieren die Spezialisten von Mercedes-Benz Classic zunächst sorgfältig alle montierten Teile. Das ist die Grundlage für ein Exponat, das heute eindrucksvoll die Spuren der Zeit zeigt.

Es ist ein Glücksfall, dass die Sammlung des Unternehmens einen Flugmotor DB 603 umfasst. Denn das originale Aggregat des T 80 ist seinerzeit ein Versuchsmotor aus dem Flugmotorenversuch in Untertürkheim. Er gehört dem Reichsluftfahrtministerium und wird von dort für den Rekordwagen zur Verfügung gestellt. Nachdem es wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nicht zu den geplanten Rekordfahrten kommt, gelangt der Motor zurück in die Flugmotorenabteilung. Dieser Originalmotor des T 80 gilt heute als verschollen.

Der jetzt ins Fahrgestell eingesetzte Flugmotor stammt aus der späteren Serienproduktion des Baumusters. Er hat andere Anschlussmaße als der Versuchsmotor und passt daher am Übergang zur Fliehkraftkupplung des originalen Fahrgestells nicht exakt. Doch Mercedes-Benz Classic entscheidet sich bewusst dafür, mit diesem Motor das Chassis zu vervollständigen: Einerseits macht der DB 603 im Fahrgestell nun wieder die erstaunlichen Gesamtdimensionen des Rekord-Riesen T 80 begreifbar. Zum anderen ist das Sammlungsobjekt ein Schnittmotor. Er ermöglicht tiefe Einblicke in die Technik und rundet so das Demonstrationsobjekt T 80 mit seinem offenen Gitterrohrrahmen als Karosserieunterbau perfekt ab.

Der originale Gitterrohrrahmen des T 80 befindet sich zusammen mit Karosserie und Rädern des Rekordwagens in der Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums. Deshalb schweißen die Spezialisten von Mercedes-Benz Classic für das Fahrgestell einen neuen Gitterrohrrahmen. Auf Basis diverser Originalzeichnungen aus den Archiven sind zudem die sechs Drahtspeichenräder mit profillosen Reifen originalgetreu reproduziert.

Der Rahmenbau dauert in Summe rund drei Monate. Insgesamt werden dabei rund 150 Meter Stahlrohr mit 20 Millimeter Außendurchmesser und 1,5 Millimeter Wandstärke verwendet. Wie einst beim Bau des Originals hängen während der Arbeiten an der Werkstattwand Kopien der Konstruktionszeichnungen: Für den Aufbau stehen die Originalzeichnungen des Gitterrohrrahmens als Quelle zur Verfügung. Insgesamt sind in den Archiven von Mercedes-Benz Classic rund 500 Zeichnungen zum T 80 vorhanden.

Von den Plänen nehmen die Fachleute exakte Maße für die Rekonstruktion des Rahmens ab. Zusätzlich untersuchen sie den originalen Gitterrohrrahmen im Mercedes-Benz Museum. Dabei werden Referenzpunkte für die Aufnahme- und Spannpunkte der Karosserie genommen, aber auch Daten der Innenmaße und der Steckaufnahmen für die Seitenflügel.

Aus den vorliegenden Daten entsteht in klassischer Handarbeit und unter Zuhilfenahme von Schablonen aus Pappkarton der neue Gitterrohrrahmen. Wie beim Original ist er in Mattsilber lackiert. Und wie früher ist er mit acht Schraub- und Schnellverschlüssen auf dem Fahrgestell befestigt, um für Wartungsarbeiten einen guten Zugang etwa zu Rädern und Motor zu bieten. Eine eingesteckte Seitenflosse – die linke – komplettiert den T 80. Sie ist das einzige Element des Ausstellungsstücks, das zu Demonstrationszwecken mit leichtem Aluminiumblech beplankt ist.

Die Verbindung aus Fahrgestell und Gitterrohrrahmen macht die gewaltigen Karosseriedimensionen und die dennoch elegante Anmutung des T 80 deutlich: Karossiert ist der Rekordwagen 8.240 Millimeter lang und lediglich 1.740 Millimeter breit (ohne Seitenflossen) sowie rund 1.270 Millimeter hoch. Der für den Wiederaufbau gefertigte Gitterrohrrahmen ist die bisher größte Konstruktion dieser Art, die jemals bei Mercedes-Benz Classic gebaut wurde.

Deutlich zu erkennen ist, wie eng die Karosserie um das Fahrgestell geführt wird. Einige Rohre sind zudem zusätzlich abgeflacht, damit Gitterrohrrahmen und Karosserie noch dichter an den Aggregaten verlaufen: Die Ingenieure verschenken im Sinne bester Aerodynamik keinen Millimeter und gestehen lediglich jene Abstände zu, die für den Fahrzeugbetrieb mit der zuletzt angepeilten Höchstgeschwindigkeit von 650 km/h notwendig scheinen.

 Aus dem originalen Fahrgestell des Mercedes-Benz T 80 hat Mercedes-Benz Classic durch das enge Zusammenwirken von Archiven und Werkstatt ein spektakuläres Anschauungsobjekt geschaffen. Es öffnet den Blick in die Technik der 1930er-Jahre – und in eine Epoche legendärer Rekordversuche, getragen vom Innovationswillen und Wagemut der Ingenieure.

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Die Geschichte


Der Mercedes-Benz T 80 Rekordwagen entsteht aus einer Idee des Rennfahrers Hans Stuck: Er will den absoluten Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge brechen. Den dafür notwendigen Rekordwagen setzt Stuck mit drei maßgeblichen Persönlichkeiten um: Wilhelm Kissel, dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Benz AG, dem Ingenieur Ferdinand Porsche und dem Luftwaffengeneral Ernst Udet. Jeder Einzelne trägt in den 1930er-Jahren dazu bei, das Projekt zu realisieren. Die Geschichte des Mercedes-Benz T 80 ist ein Marathon der Konstrukteure und Aerodynamiker. Das Vorhaben beginnt 1936. Es führt über zahlreiche Entwicklungsstufen und Fahrzeugverfeinerungen zum Ende im Jahr 1940 – ohne dass der T 80 je eingesetzt wird.

Ziel aller Beteiligten ist eine Geschwindigkeit, die zuvor kein Landfahrzeug erreicht hat. Das ist umso herausfordernder, als in diesen Jahren britische Fahrer immer neue Rekorde auf nordamerikanischen Strecken aufstellen: Malcolm Campbell erreicht am 3. September 1935 mit „Blue Bird“ 484,62 km/h über die fliegende Meile. George Eyston knackt am 19. November 1937 mit „Thunderbolt“ die 500-km/h-Marke (502,11 km/h über den fliegenden Kilometer). Und John Cobb legt am 23. August 1939 mit dem „Railton Special“ eine neue Bestmarke von 595,04 km/h über den fliegenden Kilometer vor. Dementsprechend verschiebt sich die geplante Rekordgeschwindigkeit von 550 km/h zunächst auf 600 km/h und schließlich sogar auf bis zu 650 km/h.

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Ein neuer Rekord für die Silberpfeile


 Mercedes-Benz würde mit einem Erfolg des Projekts seiner langen Reihe von Geschwindigkeitsrekorden einen weiteren Triumph hinzufügen. Bisheriger Höhepunkt ist der Geschwindigkeitsweltrekord auf öffentlichen Straßen, den Rudolf Caracciola am 28. Januar 1938 aufstellt: Mit dem Mercedes-Benz Rekordwagen W 125 erreicht er 432,7 km/h auf der Autobahn bei Darmstadt. Dennoch wird das Projekt T 80 im Unternehmen auch kritisch gesehen. Das liegt nicht zuletzt an der Person Hans Stuck. Schließlich startet der Rennfahrer in den 1930er-Jahren im Grand-Prix-Sport für die Auto Union. Wie würde daher die Öffentlichkeit reagieren, wenn die erfolgsverwöhnte Stuttgarter Rennabteilung einen Piloten der Konkurrenz für den absoluten Weltrekord verpflichtet? Viele Entscheider im Unternehmen stellen daher die Frage, ob nicht besser erneut Stammpilot Rudolf Caracciola mit dem Rekordversuch betraut werden solle.

Andererseits hat ja auch Stuck eine Verbindung zur Stuttgarter Marke: Auf Mercedes-Benz SSKL fährt er in den Jahren 1931 und 1932 sehr erfolgreich Rennen im Zeichen des Mercedes-Sterns. Er wird 1932 internationaler Alpenmeister und Bergmeister von Brasilien. Vier Jahre später nutzt Stuck nun seine Kontakte nach Untertürkheim aus der damaligen Ära.

Über die Rennabteilung der Auto Union hat Stuck die Verbindung zum Konstrukteur Ferdinand Porsche geknüpft. Denn aus dessen P-Wagen-Konzept gehen die Grand-Prix-Rennwagen der Auto Union der Jahre 1934–1936 hervor. Den Flieger Ernst Udet kennt Stuck sogar seit den 1920er-Jahren. Damals messen sich die beiden unter anderem bei Eisrennen auf dem zugefrorenen Eibsee bei Garmisch-Partenkirchen: Stuck auf Austro Daimler Rennwagen gegen Udet mit dem Flugzeug.

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Telegramm nach Stuttgart


Was gibt den Ausschlag für Stucks Streben nach dem absoluten Geschwindigkeitsweltrekord für Landfahrzeuge? Ein Grund ist sichtlich Bernd Rosemeyer, sein Teamkollege bei Auto Union. Nachdem dieser die Grand-Prix-Europameisterschaft 1936 gewinnt, sucht Hans Stuck nach einer neuen Bühne für sein fahrerisches Können. Da bietet sich der Weltrekord an, welcher bis dahin von britischen Fahrern dominiert wird.

Stuck, der Kontakte zur Führung der nationalsozialistischen Regierung pflegt, weiß sich der politischen Unterstützung für das Prestigeprojekt sicher. Allerdings braucht er auch Partner für die technische Umsetzung. Am 14. August 1936 schickt er aus Pescara ein Telegramm an den Daimler-Benz Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Kissel und bittet um ein Treffen. Im Gespräch mit Kissel schlägt der Rennfahrer vor, dass Mercedes-Benz den Bau eines Rekordwagens übernimmt, der von einem Daimler-Benz Flugmotor angetrieben wird. Mit Flugzeugtriebwerken sind auch die britischen Rekordwagen dieser Zeit ausgerüstet.

Das Thema Rekordfahrten ist für Mercedes-Benz nicht neu. Schließlich stellt das Stuttgarter Unternehmen in den 1930er-Jahren zahlreiche Rekorde auf. Und die Idee, einen Weltrekordwagen unter Verwendung eines eigenen Flugmotors zu bauen, habe es schon unter Leitung des 1934 verstorbenen Daimler-Benz Vorstandsvorsitzenden Hans Nibel gegeben, erinnert sich Kissel.

Die Konstruktion des Rekordwagens soll Ferdinand Porsche übernehmen. Dieser ist zwar als Chefingenieur von Mercedes-Benz im Jahr 1928 ausgeschieden, doch Verbindungen des ältesten Automobilherstellers der Welt zum Porsche- Konstruktionsbüro (P.K.B.) bestehen weiterhin. Unter anderem baut Mercedes-Benz von 1936 bis 1937 insgesamt 30 Prototypen des KdF-Wagens.

Am 11. März 1937 schließt die Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH einen Vertrag mit der Daimler-Benz AG über die umfangreiche Mitarbeit auf allen Gebieten des Motoren- und Fahrzeugbaus. Zu den resultierenden Projekten gehören neben dem T 80 (das T steht in der Porsche-Nomenklatur für Typ) auch die Typen T 90, T 93, T 94, T 95, T 97, T 104 und T 108. Außer am Rekordwagen arbeitet Porsche also auch an Rennwagen, Nutzfahrzeugen und im Motorenbau mit.

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Mit dem Flugmotor zum Weltrekord


Angetrieben werden soll der T 80 von einem Daimler-Benz Flugmotor. Auf ein solches Aggregat hat der Hersteller aber nicht automatisch Zugriff, denn die alleinige Verfügungsgewalt über sämtliche in Deutschland gebauten Flugmotoren liegt beim Reichsluftfahrtministerium. Daher nutzt Stuck seine Verbindungen zu Ernst Udet. Der Flieger

 Im September 1936 nimmt Fritz Nallinger zum Projekt Stellung. Zu der Zeit ist er Technischer Direktor von Daimler-Benz und unter dem Entwicklungsvorstand Max Sailer für die Großmotoren zuständig. Nallinger prognostiziert beim Einsatz des zunächst vorgesehenen Flugmotors DB 601 eine auf jeden Fall erreichbare Leistung von 1.103 kW (1.500 PS). Tatsächlich werden in den Jahren 1938 und 1939 mit diesem für Flugrekorde vorbereiteten Triebwerk 2.036 kW (2.770 PS) erreicht.

Im Oktober 1936 teilt Kissel Porsche telefonisch mit, dass das Reichsluftfahrtministerium (RLM) zwei Motoren freigeben will. Er bittet Porsche, die Arbeit an dem Projekt aufzunehmen. Der offizielle Auftrag folgt am 13. Januar 1937. In einem Nachsatz wird darauf hingewiesen, dass der Porsche-Entwurf stets nur als Mercedes-Benz Rekordwagen in Erscheinung tritt.

Die Finanzierung ist zunächst wie folgt geplant: Daimler-Benz wird die Kosten für den Bau des Fahrgestells übernehmen. Die Karosserie soll der Flugzeughersteller Heinkel ausführen und bezahlen. Die Ausrichtung der Rekordfahrt selbst hingegen wird Rennfahrer Stuck finanzieren. Das legt Kissel bereits am 21. Oktober 1936 gegenüber Stuck fest. Im November 1936 schätzt Kissel, dass der T 80 nicht vor Oktober 1937 fertiggestellt werden kann.

Einen entscheidenden Schritt kommt das Projekt im Februar 1937 weiter, als Ernst Udet die offizielle Freigabe für den Einbau des DB 601 Flugmotors in den Rekordwagen erteilt. Wegen des höheren Leistungsbedarfs, der sich im Laufe der Entwicklung abzeichnet, wird diese Freigabe dann später auf den DB 603 V3 erweitert.

Am 6. April stellt Porsche in Untertürkheim die Pläne für den T 80 vor. Sie beschreiben die Entwicklung in mehreren Phasen vom ersten zweimotorigen Entwurf bis zum letzten einmotorigen Konzept. Dieser jüngste Vorschlag zeigt bereits alle Merkmale des später tatsächlich umgesetzten Fahrzeugs: Ein Rekordwagen mit drei Achsen und mittig hängend angeordnetem Flugmotor als Antrieb. Porsche hat berechnet, dass für eine Rekordgeschwindigkeit von 550 km/h nach fünf Kilometern Strecke eine Motorleistung von mindestens 1.618 kW (2.200 PS) nötig sind, besser aber wären 1.838 kW (2.500 PS).

Ursprünglich ist für die Rekordfahrten eine Strecke in den Vereinigten Staaten von Amerika vorgesehen. Mitte 1938 kristallisiert sich aber immer stärker der Plan heraus, für den Versuch einen speziell eingerichteten Autobahnabschnitt zwischen Dessau-Süd und Bitterfeld zu nutzen. Der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen, Fritz Todt, nennt im August 1938 als vorgesehenen Termin für die Betriebsfreigabe dieser Strecke den Oktober 1938.

Abschließend wird die Frage der Rekordstrecke nie geklärt. Aber noch 1939 ist auch ein Rekordversuch in den Vereinigten Staaten im Gespräch. Dort sind sämtliche Rekorde der letzten Jahre auf den Bonneville Salt Flats erzielt worden. Ein Grund für die erneute Diskussion bei Mercedes-Benz dürften die schwierigen Fahrbedingungen auf dem von Hand betonierten Streifen zwischen den beiden Fahrbahnen der Autobahn sein.

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Die Geburt des Weltrekordwagens


Der T 80 nimmt im Laufe des Jahres 1938 immer konkretere Gestalt an. Im Oktober besichtigt Ferdinand Porsche mit Mitarbeitern das hölzerne Modell der Rohkarosserie. Nun werden Blechsorten für die Beplankung der Karosserie definiert und entsprechende Stücklisten aufgestellt, Details von Sitz und Fahrerhaube festgelegt und der Rohrplan für den Gitterrohrrahmen formuliert. Am 26. Oktober 1938 hält die Mercedes-Benz Rennabteilung in einem Prüfbericht fest, dass der erste geschweißte Rahmen 224 Kilogramm wiegt.

Ende November 1938 ist das Fahrgestell samt Rahmen fertig. Die Komplettierung mit sämtlichen Aggregaten plant die verantwortliche Mercedes-Benz Rennabteilung bis Ende Januar 1939. Wenn bis dahin auch der Flugmotor geliefert werde, könne das Fahrgestell bis Ende Februar 1939 montiert werden, heißt es in einer Aktennotiz vom 26. November 1938. Die Karosserie soll dann bis zum Mai 1939 gebaut werden.

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Halten die Räder die Rekordgeschwindigkeit aus?


Reifenhersteller Continental erprobt die für den T 80 vorgesehenen Räder auf dem Prüfstand und stellt im Januar 1939 bei einer Schnelllaufprüfung mit 500 km/h eine starke Deformation der Drahtspeichenräder fest, die Hering aus Ronneburg (Thüringen) beisteuert. Im Mai gibt es noch leichte Verformungen bei immerhin 480 km/h. Derweil hat Porsche errechnet, dass für eine Rekordfahrt mit 600 km/h eine Wegstrecke zwischen 13,73 Kilometer (mit 2.023 kW/2.750 PS) bis 11,48 Kilometer (mit 2.206 kW/3.000 PS) notwendig ist.

1939 reift der Entschluss, den T 80 mit einem Motor vom Typ DB 603 auszustatten. Dessen Weiterentwicklung als Flugmotor hat das Reichsluftfahrtministerium zwar im März 1937 verboten, für den Geschwindigkeitsrekord könnte er aber eingesetzt werden, wenn das Ministerium zustimmt. Die Ingenieure gehen davon aus, dass der für eine Leistung von rund 1.471 kW (2.000 PS) ausgelegte 44,5-Liter-V12-Flugmotor bei dem Rekordversuch bis zu 2.206 kW (3.000 PS) bei 3.200/min erreichen kann. Dazu soll der Motor mit einer Mischung der beiden Spezial-Rennkraftstoffe XM und WW betankt werden. Ab Februar 1940 darf das Stuttgarter Unternehmen die Arbeiten am DB 603 als Flugmotor wieder aufnehmen. Der Serienanlauf für den Luftfahrteinsatz beginnt 1941.

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Optimierung des DB 603 für den Rekord


Rennleiter Alfred Neubauer notiert 1939, dass ein DB 603 für den Rekordwagen im Juni des Jahres als „Einlaufmotor“ geliefert werden könne. Der eigentliche Rekordmotor stehe dann Ende August 1939 zur Verfügung. Fritz Nallinger, verantwortlich für die Daimler-Benz Flugmotoren, optimiert im Juni 1939 verschiedene Details für den Einbau des Rekordmotors im T 80. Unter anderem verändert er die Führung der Luftansaugleitungen und legt die Auspuffleitungen so aus, dass das Fahrzeug die Rückstoßenergie in Geschwindigkeit umsetzen kann.

Ebenfalls im Sommer 1939 finden Messungen mit einem maßstabsgetreuen Modell des T 80 im Windkanal von Zeppelin in Friedrichshafen statt. Dabei soll der optimale Abtrieb gefunden werden: Stark genug, um die ganze Kraft des Motors auf die Straße zu bringen, aber zugleich so gering wie möglich, um die Reifen mit ihren dünnen Laufflächen nicht zu überlasten. Tatsächlich wird die Oberfläche der Abtriebsflossen nach den Messungen noch einmal um 3,65 Quadratmeter verringert. Die Erprobungen des T 80 werden auch nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 fortgesetzt. So läuft das Fahrgestell des Rekordwagens am 12. Oktober auf dem Rollenprüfstand. Mittlerweile peilt Porsche wegen des neuen Rekords von Cobb mit fast 600 km/h eine Rekordgeschwindigkeit des T 80 von bis zu 650 km/h an. Dazu würde wohl eine Motorleistung von bis zu 2.574 kW (3.500 PS) nötig sein. Selbst diese Leistung erscheint mit dem DB 603 möglich.

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Ende des Projekts T 80 im Frühjahr 1940


Weitere Schritte auf dem Weg zum Geschwindigkeitsweltrekord gibt es dann aber nicht mehr. Mercedes-Benz fragt bereits im Februar 1940 beim Reichsverkehrsministerium wegen einer möglichen Beteiligung an den angefallenen Entwicklungs- und Baukosten an. Im Juni 1940 wird ein Abschlussbericht für das Projekt erstellt und der T 80 eingelagert. Der zwischenzeitlich im Fahrzeug eingebaute Rekordmotor DB 603 geht zurück in die Obhut des Reichsluftfahrtministeriums.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellt Mercedes-Benz den T 80 Rekordwagen im Museum des Unternehmens im Werk Untertürkheim aus. Bei der Neugestaltung der Ausstellung im Jahr 1986 werden Karosserie und Fahrgestell voneinander getrennt, das Fahrgestell wird eingelagert. Auch das neue, 2006 eröffnete Mercedes-Benz Museum vor den Toren des Werks Untertürkheim präsentiert den T 80 in der Dauerausstellung mit originaler Karosserie, Gitterrohrrahmen und Rädern – aber ohne Fahrgestell.

Die im Mercedes-Benz Museum ausgestellte Karosserie zeigt den Rekordwagen bewusst mit Spuren des im Jahr 1940 noch nicht ganz vollendeten Projekts. Mercedes-Benz Classic stellt diesem mächtigen Exponat nun das Fahrgestell zusammen mit dem rekonstruierten Gitterrohrrahmen und dem Schnittmotor gegenüber. Als einzigartiges Schaustück macht dieses Exponat die Technik des T 80 ab Mitte 2018 wieder eindrucksvoll erlebbar.

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Das Fahrzeug


Während die anderen Mercedes-Benz Rekordwagen der 1930er-Jahre auf der Basis erfolgreicher Grand-Prix-Rennwagen entstehen, wird der T 80 komplett neu entwickelt. Mit diesem Fahrzeug stößt das Stuttgarter Unternehmen in andere Dimensionen vor. Das betrifft nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Abmessungen: So groß wie der 8.240 Millimeter lange T 80 ist zuvor kein Renn- oder Rekordwagen der Marke mit dem Stern.

Porsche entwirft ein von einem Flugmotor angetriebenes Fahrzeug mit drei Achsen. Die Radstände betragen 3.550 und 1.280 Millimeter (Abstand von der Vorderachse zur vorderen Hinterachse sowie zwischen den beiden Hinterachsen). Der Motor ist vor der ersten Hinterachse hängend eingebaut. Er überträgt seine Kraft auf die beiden als Pendelachsen ausgelegten hinteren Achsen. Auf ein Getriebe verzichten die Konstrukteure wegen des hohen Drehmoments. Stattdessen kommt eine Sechsscheiben-Wärmespeicherkupplung mit automatischer Fliehkraftanpassung zum Einsatz. Ein innovatives Detail ist auch der Drehzahlangleicher. Heute würde man ihn als Antriebs-Schlupf-Regelung bezeichnen. Das mechanische System verhindert beim Anrollen des Fahrzeugs wirksam Schlupf an den Hinterachsen und trägt so zur Reifenschonung bei.

Motorposition wie im Flugzeug Der hängende Einbau des Motors entspricht der Position im Flugzeug. So lässt sich der Stirnwiderstand des Fahrzeugs möglichst niedrig halten. Der T 80 erreicht mit seiner aerodynamisch optimierten, schmalen Stromlinienkarosserie einen cW-Wert von 0,18. Die Karosseriebeplankung wiegt nach Mercedes-Benz-Angaben vom 6. Juni 1940 exakt 132,5 Kilogramm. Sie wird von einem Gitterrohrrahmen (124,5 Kilogramm) getragen. Der Motor wiegt komplett mit Schwungrad 808 Kilogramm. Insgesamt erreicht der T 80 ein Trockengewicht (ohne Betriebsstoffe und Fahrer) von knapp 2.900 Kilogramm. Das ist von erheblicher Bedeutung: Das Fahrzeug ist weniger als halb so schwer wie die damaligen britischen Konkurrenz-Rekordwagen.

Die Aufnahmen für die nicht fest mit der Karosserie verbundenen Seitenflossen sind am Gitterrohrrahmen angebracht. Diese Flossen erinnern an die Tragflächen eines Flugzeugs, haben aber das umgekehrte Profil. So erzeugen sie Abtrieb und vergrößern damit den Anpressdruck der Antriebsräder auf der Fahrbahn. Rund 900 Kilogramm Abtrieb gelten als optimales Maß für die vorgesehenen Rekordfahrten. Bei der 1940 erfolgten Stilllegung befindet sich die Karosserie im vorläufigen Zustand eines noch nicht vollendeten Projekts.

Acht Schnellverschlüsse verbinden die gesamte Karosserie mit dem Fahrgestell. Dieses besteht aus einem Leiterrahmen mit Längsträgern aus Ovalrohren. Beim Reifenwechsel sowie bei Wartungsarbeiten wird die Karosserie abgenommen. Für den Radwechsel sind an vier Stellen pneumatische Wagenheber vorgesehen, die über einen Zentralanschluss betätigt werden.

Die Vorderräder sind an in Fahrtrichtung schwingenden Hebelparallelogrammen (Kurbellenkern) nach dem System Porsche befestigt. Die Federung erfolgt über quer liegende Drehstäbe. In der Mitte gibt es eine Zusatzfederung durch Biegefedern. Als Stoßdämpfer sind kombinierte Reibungs-Hydraulikdämpfer vorgesehen.

Drei Spurweiten für drei Achsen Die vordere Spurweite beträgt 1.300 Millimeter. Die beiden Hinterachsen haben unterschiedliche Spurweiten (1.320 und 1.180 Millimeter). Damit folgen sie dem nach hinten schmaler werdenden Profil der Karosserie. Die Federung der Hinterachsen erfolgt durch Drehstäbe mit Pendelausgleich. Damit Sturzänderungen vermieden werden, ist der Federweg gering: Er beträgt nach oben 45 Millimeter und nach unten 42 Millimeter.

Um Brems- und Beschleunigungskräfte beherrschen zu können, werden die Hinterräder durch Schub- und Zugstreben geführt. Als Bremsen kommen Vier-Backen-Bremsen zum Einsatz. Für die Rekordfahrten sollen die im originalen Fahrgestell eingebauten Bremstrommeln durch Turbobremstrommeln ersetzt werden. Deren Rohlinge sind bei der Stilllegung des Wagens 1940 bereits vorhanden.

Herzstück des T 80 ist der Daimler-Benz Flugmotor DB 603. Er gehört zu einer Familie großer Flugmotoren, deren Entwicklung bei Mercedes-Benz im Jahr 1927 beginnt. Grundlage dafür sind die Flugmotoren des von Benz & Cie. zur fusionierten Daimler-Benz AG gekommenen Konstrukteurs Arthur Berger. Seine Motoren F 2 und F 4 (M 71) bilden die Basis für die kommenden Flugmotorenkonstruktionen von Daimler-Benz bis zum Kriegsende 1945. Erster von Mercedes-Benz in Serie gebauter Flugmotor ist der aus dem F 4 entwickelte DB 600. Der V12-Vergasermotor mit 33,9 Liter Hubraum erreicht bis zu 735 kW (1.000 PS).

Entwicklungsstopp für den DB 603 Ein wichtiges Thema für den Bau von Flugmotoren in Deutschland ist in den 1930er-Jahren die Benzineinspritzung. 1934 fordert das Reichsluftfahrtministerium die Hersteller auf, solche Einspritzmotoren zu entwickeln, denn sie verbrauchen nicht nur weniger Treibstoff bei höherer Leistung, sondern sie sind gegenüber Flugbewegungen mit negativer Beschleunigung auch unempfindlicher als Vergasermotoren. Um die Forderungen des RLM zu erfüllen, entwickelt Daimler-Benz ab 1934 den Einspritzmotor DB 601 (M 74) mit bis zu 993 kW (1.350 PS).

 Mit dem DB 601 werden im Juli 1937 auf dem IV. Internationalen Flugmeeting in Zürich bereits erste Flugrekorde erzielt. Zum Einsatz kommt der Motor in den Flugzeugen Messerschmitt Bf 109 und Dornier Do 17. Direkter Nachfolger des DB 601 ist ab 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs der von ihm abgeleitete DB 605 mit bis zu 1.470 kW (2.000 PS).

Den Namen DB 603 trägt zunächst das Konzept eines V12-Dieselmotors für Langstreckenflüge. Im Herbst 1936 schlägt Daimler-Benz vor, unter dem Namen einen 44,5-Liter-V12-Ottomotor mit rund 1.103 kW (1.500 PS) Leistung zu entwickeln. Doch Ernst Udet stoppt am 15. März 1937 die Entwicklung, weil der für den DB 603 vorgesehene Bomber nicht sturzkampftauglich ist.

Der Rekordmotor des T 80 ist also zwar ein Flugmotor, darf aber 1939 nicht für den Einsatz in Flugzeugen weiterentwickelt werden. Erst im Januar 1940 lässt sich das Ministerium davon überzeugen, dass der DB 603 dem kleineren DB 601 in der Höhe nicht unterlegen und in Bodennähe sogar deutlich überlegen ist. So wird der Entwicklungsstopp im Februar 1940 aufgehoben. Daher will das Ministerium nicht auf den im T 80 eingesetzten DB 603 verzichten, und die Mercedes-Benz Rennabteilung gibt den Rekordmotor nach dem Ausbau aus dem Fahrzeug zurück.

3.500 PS sind realistisch Der DB 603 zeichnet sich gegenüber anderen Motoren durch seine Zuverlässigkeit bei gleichzeitig geringem Trockengewicht aus. Die Laufbüchsen werden mit Schrumpfsitz über Ringmuttern mit dem Kurbelgehäuse verschraubt. Die zwei Einlassventile und Auslassventile mit Natriumfüllung werden von der durch eine von einer Königswelle angetriebenen oben liegenden Nockenwelle gesteuert, die durch je einen Nocken nacheinander Ein- und Auslassventil über Schwinghebel betätigt.

Beim serienmäßigen Einsatz in Flugzeugen wie den Dornier-Typen Do 217 und Do 335, der Heinkel He 219, den Messerschmitt Me 309 und Me 410 sowie der Focke-Wulf Ta 152 erreicht der DB 603 in der Spitze 2.200 kW (2.750 PS). Nimmt man die Leistungssteigerung des DB 601 für die Flugrekorde 1938 und 1939 gegenüber dessen Serienversion als Beispiel, dann scheint eine mögliche Leistungssteigerung des DB 603 für den Einsatz im Rekordwagen T 80 auf bis zu 2.574 kW (3.500 PS) realistisch, eventuell sogar auf 2.647 kW (3.600 PS).

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