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Donnerstag, 25. April 2024
Meine Devise, ist prompt und präzise! Drucken E-Mail
Geschrieben von Alexander Trimmel   

Heft bestellen - Meine Devise, ist prompt und präzise!

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Kurt Bergmann ist 90 Jahre jung.

Diese Eigenschaften dürften dem jungen Kurt schon in seiner Kindheit in die Wiege gelegt worden sein, die er im 16. Wiener Gemeindebezirk, in der Possingerstraße durchlebte. Der Vater war ein sehr gewissenhafter und verantwortungsbewusster Beamter, immer sehr überarbeitet und ist deswegen früh verstorben, so meint Kurt Bergmann heute, der sich für eine Ausbildung zum Automechaniker entschied. Autos waren damals für junge Leute nahezu unerschwinglich, das Zweirad beherrschte das Wiener Straßenbild. Schon bald besaß er einen minutiös vorbereiteten „Clubman-Racer“, eine Rennmaschine, die er durch „Frisier“-Arbeiten an den Motorrädern seiner Arbeitskollegen finanzierte. Mit recht einfachen Mitteln, wie der Zauberer heute mit einem leicht verschmitzten Grinser auf den Lippen, zugibt: „I hob nua den verölten Auspuff ausgramt und den Gaszug leichta zum drahn gmocht. Olle woan auba zfriedn.“


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Als er mit seiner Rennmaschine erstmals bei einem Bergrennen in Graz starten wollte, galt es vorerst, mit der Maschin’ dorthin zu kommen. Und dabei ging ihm sein Bruder hilfreich zur Hand, der mit seinem Motorrad Kurt am Seil hinterher zog. Endlich erschöpft in Graz angekommen, war der Renn-Neuling gleich heiß drauf, die Strecke kennenzulernen. Als junger ambitionierter Wilder nahm er die ersten Kurven in Angriff. Der Veranstalter hat in einer folgenden Rechtskurve bereits attraktive Zuschauerplätze mit Sesseln und Bänken eingerichtet. Als Kurt mit überirdischem Geschwindigkeitsüberschuss diese Stelle erreichte, flogen schon Sessel und Bänke durch die Luft. Er landete abseits des Motorrads auf grün-steirischem Boden. Nix passiert. Gott sei Dank. Der Veranstalter legte ihm jedoch höflich nahe, nicht am Rennen teilzunehmen. Kurt und sein Bruder traten noch vor dem offiziellen Training resigniert die lange Heimreise am Seil an.


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Im Winter war immer Fußballspielen angesagt. In Floridsdorf in der Halle. Eine ehrgeizige Mannschaft, bei der mehr der Schmäh, als der Sport im Vordergrund stand. So Manchem mangelte es an spielerischem Können, was durch überdurchschnittlichen Einsatz wettgemacht werden sollte und oft zu unfreiwilligen Aufenthalten im Unfallkrankenhaus führte. ORF-Sportregisseur Lucky Schmidtleitner war einer der Mannschaftskollegen des quirligen kleinen „Masta“, wie ihn die Ballestererkollegen (Fußballfreunde) nannten, bezugnehmend auf Kurts Berufung als Kfz-Meister. Ins Wienerische übersetzt. Und da war auch noch die Leidenschaft des Schifahrens. Nicht touristisch, sondern klarerweise als Rennfahrer. Trainiert wurde auf der Tauplitzalm. Kurt war sogar Teilnehmer bei der Journalisten-Weltmeisterschaft in Sapporo.


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Nach der Meisterprüfung haben sich Kurt Bergmann und seine Frau Hannerl 1957 in Wien-Eßling mit einer kleinen Opel-Werkstätte selbständig gemacht. Nahe des Asperner Flughafens, umgeben von Feldern. Er spezialisierte sich darauf, amerikanische Autos der US-Diplomaten auf österreichische Vorschriften umzurüsten. Charly True, ein Botschaftsangehöriger, brachte einmal ein Kart im Reisegepäck mit. Als Kurt dies sah, war er davon gleich hellauf begeistert. Nach mehreren Eigenbastelversuchen besorgte er sich ein Tecno-Kart „Kaimano“ der Brüder Pederzani aus Bologna, die später sogar F1-Autos bauten, mit dem er national gleich an der Spitze mitfuhr. Mit 100-Kubik-Stihl-Motorsägen-Motor, sein härtester Konkurrent war der mehrfache Kart-Champion Werner Riedl, Sohn einer großen Autozubehördynastie, der auf den stärkeren McColloch-Außenbordmotor vertraute. Als Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein 1965 die Formel V aus den USA nach Europa brachte, eine Rennwagenklasse, bei der die komplette Technik vom weitverbreiteten Volkswagen Käfer stammte und der Bausatz für ein komplettes Auto nur 1.000 US-Dollar kostete, ging Kurt Bergmann gleich daran, für sich einen „Beach-Car“ exakt nachzubauen. „Des woa a Kraxn, ollas woa schief und wia haum des genauso nochbaut …“, so das Resümee des Erbauers, der kaum zum Fahren kam, weil ihn seine Freunde, wie Werner Riedl und Friedrich Glatz, ständig überredeten, mit dem „Austro-Beach“ fahren zu dürfen.


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Für die Saison 1967 entstand gleich ein weiterer, verbesserter Wagen. Und dieser bekam auch einen eigenen Namen: Kurt „pickte“ den Aufkleber des Kaimano-Karts mit dem grünen Krokodil im gelben Kreis auf die Fronthaube, Erich Glavitza meinte, Markenrechte könnten verletzt werden, so entstand aus „Kaimano“ das Wort „Kaimann“ (wie Berg-mann) und ein Krokodil im roten Kreis. Eine neue Marke war geboren.

Und da stand auch schon ein junger Heißsporn namens Dieter Quester vorm Werkstatttor, der den Konstrukteur davon überzeugte, schneller als er Autofahren zu können. Und prompt gewann er 1967 den „Preis von Wien“ am Flughafen Aspern. Der erste Sieg eines „Kaimann“ war geschafft, dem noch Unzählige folgen sollten. Masta Kurt Bergmann wandelte sich vom Rennfahrer zum Konstrukteur und Teamchef.


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Neben Erich Breinsberg verstärkte 1968 Ingenieur Günther Huber, der bisherige Pokalsieger, und das Ausnahmetalent Dr. Helmut Marko das Kaimann-Team, das nun mit einem revolutionären neuen Auto auftrat: Kurt Bergmann zeichnete zusammen mit den beiden Assistenten der TU Wien, Fritz Indra und Heinz Lippitsch, einen besonders verwindungssteifen Rohrrahmen mit Torsionstürmen beiderseits der Cockpitöffnung aus Präzisionsstahlrohren, der fortan das Erfolgsgeheimnis der Überlegenheit darstellen sollte. Marko wurde im Mark 3 auch gleich Österreichischer Staatsmeister. Dieses Auto galt als Maß der Dinge, Jeder wollte Kaimann fahren. Das Auto kostete 72.000 österreichische Schilling und in der ersten Saison konnten davon bereits 20 Exemplare verkauft werden. Die Eßlinger Werkstatt drohte vor Auslastung zu platzen.


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Bei einem zwanglosen Treffen am Nürburgring fragte Dr. Heinz Lauda, Vorstandsdirektor der Veitscher Magnesitwerke, den Kurt Bergmann noch von vielen früheren Kartschlachten kannte, beim Masta an, ob sein Neffe, Nikolaus, der 1968 einige Tourenwagenrennen bestritt, nicht einmal einen Kaimann fahren dürfte. Niki stand hinter den beiden, erst 19 Jahre alt, noch jünger aussehend, schmächtig, mit Hut, Schirm, im Regenmantel. Kurt war vorerst skeptisch, „ob der des pockt“, gab ihm trotzdem ein Cockpit.Niki bedankte sich dafür auf spektakuläre Weise bei seiner österreichischen Monoposto-Premiere in Aspern 1969: Nach Überschlag im Training fragte der noch kopfüber in den Strohballen liegende Niki den herbeieilenden Masta Bergmann: „Kaun i aum Nochmittog wieda foahn?“ Und er konnte und durfte. 1971 saß er bereits im March Formel 1, in den Jahren 1975, 1977 und 1984 gewann er die F1-Weltmeisterschaft. Erich Breinsberg wurde 1969 österreichischer Formel Vau-Meister, Lauda Dritter. Und 1970 räumten dann die Kaimann-Treter mit dem neuen, aerodynamischeren Mk-4-Modell voll ab: Breinsberg wurde Europa-Pokal-Sieger und Staatsmeister, jeweils vor dem schnauzbärtigen Salzburger Harald Ertl, der ab 1975 im Hesketh und Ensign Formel 1 Rennen bestritt, ehe er bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückte. Mittlerweile florierte der Rennwagenbau in der Eßlinger Werkstätte. Erst recht, als 1971 die Formel-Super-Vau mit 1600 ccm und Rennfahrwerk die antiquiert wirkenden 1300er Vaus ablöste.

Gleich beim Auftaktrennen der „Daytona Speed Week“ 1971 konnte Breinsberg mit dem vollkommen ungetesteten Auto einen unerwarteten Sieg einfahren. Zur Freude und Leidwesen des Chefs, der vor dem Rennen ein unvorsichtiges Versprechen abgab: „ Wenn ma do gwinnan, spring i mit’n schwoazn Aunzug ins Pool!“ Was er auch publicity-trächtig tat.

Waren es zu Jahresbeginn noch 22 Bestellungen für den neuen Kaimann-Super-Vau, so klingelte das Telefon nach diesem denkwürdigen Sieg im Minutentakt. Die Antwort aus Eßling: „Wir würden gerne schneller liefern, aber Wolfsburg borgt uns kein Fließband!“ Und für Hannerl Bergmann, die den kommerziellen Geschäftsbereich der Firma betreute, klingelte endlich die Kassa. Erich Breinsberg wurde erster Super-V-Goldpokalsieger, die Kaimänner besetzten durchgehend die vorderen Ränge.

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 Mit der Verpflichtung von Helmut Koinigg als Kaimann-Werksfahrer bewies der Entdecker von herausragenden Fahrertalenten erneut sein Goldhändchen. Der überaus erfolgreiche Erich Breinsberg zog sich aus der Super-Vau zurück, Koinigg gewann 1973 zum dritten Mal den Europapokal für die Bergmann-Renner. Mit dem Finnen Keke Rosberg, dem Formel 1-Weltmeister von 1982 auf Williams, und Jo Gartner, der vor seiner Rennfahrerlaufbahn in Kurts Werkstätte als Konstrukteur tätig war, entdeckte er zwei weitere Top-Fahrer, ehe die goldene Zeit der Kaimann-Renner zu Ende ging. Über 200 Kaimänner verließen im Laufe der Jahre die Eßlinger Halle. Die Rennwagen des Kurt Bergmann glänzten durch Präzision, der genial durchdachten Konstruktion und makellosen Finish und ließen viele der Konkurrenz-Hersteller wie Bastelbuden wirken.

Für das neue Super-Vau-Reglement von 1978, wo die VW Typ-4-Boxermotoren von wassergekühlten Golf-GTI-Triebwerken abgelöst wurden, baute Kurt Bergmann noch vier Boliden, ehe, nach längerer Motorsportpause das spektakuläre Pikes-Peak-Projekt mit dem zweimotorigen 675 PS-Golf in Angriff genommen wurde. Volkswagen-Motorsport wollte 1987 konzernintern dem Audi Quattro mit Walter Röhrl beim Pikes Peak-Bergrennen Paroli bieten und griff dabei auf eine ideenreiche Konstruktion des Wiener Pragmatikers zurück. Die Silhouette des Autos entsprach dem Golf II, nur in der Mitte in Längsrichtung um 20 Zentimeter verbreitert, darunter ein Alu-Monocoque mit zwei Hilfsrahmen für die beiden Längsmotoren vorne und hinten, gekoppelt an zwei Hewland-Formel-2-Getrieben. Das Abenteuer endete in einer Tragödie: Als Jochi Kleint dem Audi knapp vor dem Ziel schon sehr nahegerückt war, brach ein Uniball-Gelenk an der Vorderachse, ein 10-Euro-Teil, und verhinderte so die vermeintliche Sensation. Bergmann-Kommentar: „Hätt’ i aum Pikes Peak an Bam gfundn, hätt’ i mi aufghängt. Auba do obn wochsen kane Bam mehr …“


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Eine neue technisch-intellektuelle Herausforderung fand er nach der Rennerei im Bau und Betrieb von Modellhubschraubern, denen ferngesteuerte Modell-U-Boote mit allen Finessen folgen sollten. Auf der Modellbaumesse Wien machte es Kurt immer großen Spaß, nach professionellen Unterwasserfahrten plötzlich aus dem Becken aufzutauchen und umstehende Bewunderer mit der eingebauten Spritze einzuwascheln. „Die Kinda haum a richtige Freid damit, schau wie’s lochn!“ Kinderliebe und Gutmütigkeit sind generelle Charakterzüge des „Genie aus der Vorstadt“, wie ihn Helmut Koinigg liebevoll nannte. Er war auch viele Jahre als Vorsitzender der Kommission für Meister- und Gesellenprüfungen des Kfz-Mechanikergewerbes tätig, und auch da schlug seine Gutmütigkeit durch: „Do hot ana scho a großes Weh sein miaßn, wenna bei mia duachgfoin is!“

Wo seine Großzügigkeit abrupt endet, und was er überhaupt nicht leiden kann, ist Pfusch (unsaubere Arbeit). Und dies gilt bis dato. Noch heute arbeitet Masta Bergmann in seiner Garage mit Drehbank und computergesteuerter Fräse. Woran? Vor zwei Jahren hat sich Kurt Bergmann im Zuge des Besuchs eines Garagenfests mit dem Virus des Ventildeckelrennens infiziert. Hierbei gilt es, mit nur durch Schwerkraft betriebenen Fahrzeugen in Parallelfahrt eine Strecke einer schiefen Ebene schneller als der Gegner zu bewältigen. In Bergmanns Garten entstand letztes Jahr eine mit allen Finessen, wie Startwaage, Startmaschine und elektronischer Zeitnahme ausgestattete 20-Meter-Profi-Bahn. Auch drei feinst gebaute Boliden, die nach aerodynamischen Grundsätzen optimiert wurden, stehen 2019 für Rennen in Wien 22 bereit. Aber Achtung, liebe Gegner: Kurts neue Kaimänner werden wieder nur sehr schwer zu schlagen sein.

Herzlichen Glückwunsch zum 90. Geburtstag, lieber Kurt Bergmann!

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