Der Wettlauf zum Mond oder Wie Steirer gegen Salzburger um die erste Rennstrecke kämpften |
Geschrieben von Christian Sandler | |
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Die 1960er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren geprägt durch den Wettlauf der beiden Supermächte, USA und Russland, als erster den Mond zu erreichen. Die Österreicher entfachten auch ein interessantes Duell um den Bau der ersten permanenten Rennstrecke, auf dieser Bühne traten die Steirer gegen die Salzburger an. Beide Duelle endeten friedlich im Juli 1969. Der eine Sieger hieß USA, der andere Steiermark.
Blicken wir zurück in die 1950er-Jahre Weltpolitisch war es der Beginn des „Kalten Krieges“. Die Russen und die Amerikaner zündeten probeweise einen Atomsprengkopf nach dem anderen und verwüsteten dabei ganze Landstriche und Inselparadiese. Bikini, Eniwetok, Nowaja Semlja sind nur einige Beispiele dieser atomaren Zeit. Militärisch gesehen sollte man diese Sprengköpfe möglichst weit ins Feindesland hinein transportieren. Dazu waren Flugzeuge gefragt, die in sicherer und großer Höhe operieren konnten. Besser wäre es, die tödliche Fracht mittels Raketen ins Zielgebiet zu bringen. Dafür benötigte man Raketen wie die „V2“, nur mit größerer Reichweite und besserer Zielgenauigkeit. Die Amerikaner vertrauten ihrerseits auf den von Deutschland emigrierten Raketentechniker Wernher von Braun und die Russen hatten mit Sergei Pawlowitsch Koroljow eine Koryphäe in den eigenen Reihen. Um im Ernstfall die kreuz und quer fliegenden Raketen des Feindes ordentlich zu überwachen, träumte man auch schon von Spionage-Satelliten, die diese Szenerie aus bequemer Höhe überblicken können. In dieser Dekade erholte sich Österreich schön langsam von den Wirren des Zweiten Weltkrieges. Der Marshallplan zeigte Wirkung und die Industrie begann auf Hochtouren zu laufen. Die Kinder des Krieges wurden langsam erwachsen, man kaufte sich ein Puch-Motorrad, fuhr damit mit der Freundin im Petticoat zum 5-Uhr- Tee und erlebte erstmals so etwas wie Freiheit. James Dean war eines der Idole dieser Generation. Leider verglühte dieser Stern 1955 auf einer Landstraße im kalifornischen Central-Valley. Die echten Motorsportler gruben aus diversen Scheunen sämtliche alte Fahrzeuge aus, die von den Russen nicht beschlagnahmt wurden und rüsteten diese zu Rennfahrzeugen um. Der Tauschhandel blühte, Vergaser gegen 1 kg Speck war die Devise. Die Rennen fanden quasi rund um den Kirchturm statt, ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen. Meistens trennte nur ein Plastikschnürl die Zuschauer vom gefährlichen Geschehen. Als Fahrerlager diente der Dorfanger oder der nächste Heustadel und das Büro des Rennleiters befand sich im Wirtshaus ums Eck. Es gab tolle Rennen in Linz-Kleinmünchen, Bad Vöslau, Korneuburg oder auf der Autobahnspinne in Salzburg-Liefering. Strommasten, Litfasssäulen, Bushaltestellen waren auf jeder Strecke in unmittelbarer Nähe und somit ein ständiger, gefährlicher Begleiter der Helden von damals. Die Preisgelder, sollte man eines gewinnen, reichten oft nur, um die Spesen für die Anreise oder Übernachtung abzudecken. Sachpreise wie eine Kiste Bier, ein Herbergsgutschein oder Tankgutscheine zählten zur Aufbesserung des Budgets. Sandbahnrennen waren auch sehr beliebt, sämtliche Trabrennbahnen wie in der Wiener Krieau oder in Wels wurden dazu umfunktioniert. Und es waren Helden wie Otto Mathé im „Fetzenflieger“ und Fritz Dirtl, die es sogar bis ins Kino, in die Wochenschau oder in die Tageszeitung geschafft haben. Eisrennen stellten auch eine taugliche Disziplin dar, Zell am See war das Mekka damals. Rupert Hollaus aus Traisen in Niederösterreich war unser erster internationaler Star im Motorsport. Er wurde auf NSU 1954 Motorrad-Weltmeister in der Klasse bis 125 ccm, leider starb er, wie Rindt 16 Jahre später, im selben Jahr in Monza. Hoch in der Beliebtheitsskala standen die so genannten „Wertungsfahrten“, Vorläufer zu den modernen Rallyes. Auch moderne Rennsporttechnik hielt schon langsam Einzug in die heimische Motorsportszene. Beim „Bäderpreis“ 1956 in Baden konnte man erstmals einen Mercedes 300 SL Flügeltürer und einen Porsche 550 Spyder im Renntempo bewundern – mitten in der Stadt. Mit Gottfrid Köchert hatten die Österreicher den ersten Star in der internationalen Automobil-Motorsportszene. Der Sohn aus einer bekannten Juwelierdynastie aus Wien gewann 1955 ein Sportwagenrennen am Nürburgring vor dem Schweden Bonnier. Es war dies der erste internationale Sieg eines Österreichers bei einem Autorennen seit dem Krieg. Am 26. Jänner 1957 begann ein neues Zeitalter des österreichischen Motorsports, das letztlich in den Bau von zwei permanenten Rennstrecken endete. Da trafen sich im „Restaurant Schwechater Hof“, im 3. Wiener Gemeindebezirk, die Granden der Motorsportszene und hielten die erste Pressekonferenz des neu gegründeten ÖASC – Österreichischer Automobilsportclub – ab. Willy Löwinger, ein äußerst facettenreicher und eloquenter Geschäftsmann, wurde zum Präsidenten gewählt. Löwinger war Verkaufsleiter einer Kärntner Textilfabrik und Herausgeber einer eigenen Sportzeitung, ein Tausendsassa eben. Der Rennfahrer Ernst Vogel, ein Pumpenfabrikant aus Stockerau, wurde Vize. Der Automobil-Fachjournalist und Sohn einer berühmten Glockengießer-Familie Martin Pfundner übernahm die Rolle des Schriftführers. Als sehr wertvoll für die Zukunft erwiesen sich Pfundners internationale Kontakte in sämtlichen Motorsportgremien. Er holte sogar Wolfgang Graf Berghe von Trips und Huschke von Hanstein zur Gründungsversammlung nach Wien. Es soll ein sehr lustiger Abend gewesen sein und am Ende hatte man sich zum Ziel gesetzt, ein Rundstreckenrennen, ein Bergrennen und eine Rallye abzuhalten. Mit internationalem Status natürlich. An den Bau einer Rennstrecke dachte man damals nicht, man begab sich auf die Suche nach einem Flugplatz, in der Nähe von Wien, der für das erste Rundstreckenrennen geeignet war. Der Platz von Deutsch-Wagram war in einem desolaten Zustand, Kottingbrunn war eine Nummer zu klein und Geld für etwaige Umbauarbeiten hatte man einfach nicht. So fiel die Wahl auf Aspern, dort war damals noch Flugbetrieb, dies sollte aber für „Herrn Direktor“ Löwinger kein großes behördliches Problem darstellen. 55.000 begeisterte Zuschauer sahen am 28. April 1957 das erste Flugplatzrennen in Österreich und die europäische Motorsportelite war am Start. Sepp Greger, Carel de Beaufort, Ernst Vogel, Richard von Frankenberg, Harry Zweifel und Willy Peter Daetwyler u.v.m. Den legendären Karl Kling konnte man als Ehren-Starter gewinnen. Dem staunenden Publikum hatte man modernste Rennwagen geboten wie Mercedes, Aston Martin, Lotus Climax, Porsche RSK und Ferrari Testarossa, die allesamt um den Ring geprügelt wurden. Sechs Rennen in den verschiedensten Klassen wurden durchgeführt. Das Hauptrennen entschied nach einem sagenhaften Duell mit v. Frankenberg auf Porsche Spyder der Schweizer Daetwyler im 290 PS starken Ferrari für sich. Der Anfang war also gemacht, die Semperit Rallye folgte als nächstes. Da trug sich als Gesamtsieger der Kolbenfabrikant Max J. Kraus auf Denzel 1300 ein. Ein paar Wochen später stand das Gaisbergrennen am Kalender, das wiederum Daetwyler gewann. Dieses zählte sogar zur Europameisterschaft, dank Willy Löwinger, der auch Mitbegründer der Berg EM war. Bevor sich dieses Schlüsseljahr der heimischen Motorsportszene dem Ende neigte, organisierte die Sektion Knittelfeld, eine Zweigorganisation des STAMK, noch ein Flugplatzrennen auf dem Zeltweger Militärflugplatz. Dieses eher bescheidene Rennen wurde von einer begeisterten Truppe rund um den heimischen Rechtsanwalt Dr. Gustav Tiroch durchgeführt. Ernst Vogel gewann sowohl den Sportwagenlauf als auch die GT-Wertung. In dieser neuen Aufbruchsstimmung neigt sich das Jahr 1957 dem motorsportlichen Ende zu. Am 4. Oktober 1957 läuft ein militärischer Angestellter aufgeregt durch die endlosen Flure des Pentagons in Washington D.C. „Die Russen, die Russen sind oben“, stammelt er außer sich. Seine Abhörspezialisten haben soeben ein leises „Piep, Piep …“ aus dem All empfangen und dies dem ersten Satelliten, Sputnik 1, zugeordnet. Die Sowjets haben die Industrienation Nr. 1 am falschen Fuß erwischt und starteten damit ein Rennen um die Vorherrschaft im Weltraum. Und weil es so schön war, erfolgte nur einen Monat später mit Sputnik 2 (Sputnik =Weggenosse) der nächste Streich, mit der Polarhündin „Laika“ an Bord. Die Amis schickten am 1. Februar 1958 den Forschungssatelliten Explorer 1 erfolgreich ins All, somit haben die Amerikaner nachgezogen. Dennoch, die nächste Sensation kam wieder aus dem Osten. Am 12. April 1961 umkreiste der Luftwaffenoffizier Juri Gagarin in seiner Raumkapsel Wostok als erster Mensch die Erde und kam auch wohlbehalten wieder retour. Mit Fallschirm! Amerika zog nach und am 5. Mai 1961 war der erste Amerikaner, Alan Shepard, im All. Allerdings war dies „nur“ eine ballistische Flugbahn und keine Umrundung der Erde. Letztendlich wird es dem charismatischen Präsidenten der USA, John F. Kennedy zu bunt, er verkündet bei einer Plenarsitzung des amerikanischen Kongresses am 25. Mai 1961 folgendes: „Ich glaube, diese Nation sollte sich selbst das Ziel setzen, vor Ende des Jahrzehnts einen Mann auf den Mond zu landen und ihn sicher wieder auf die Erde zurückbringen.“ Mit diesem Aufruf setzte er den Wettlauf zum Mond in Gang. Eine ganze Nation stand mit Begeisterung hinter ihm und trieb sich selbst von einer Höchstleistung zur anderen. Am 20. Februar 1962 haben die Amerikaner durch John Glenns dreimaliger Erdumkreisung mit den Russen wieder gleichgezogen. Kehren wir wieder in die Motorsportwelt Ende der 50er-Jahre nach Österreich zurück. Anfang 1958 schied Martin Pfundner aus dem Präsidium des ÖASC aus und wurde, zum Missfallen von Willy Löwinger, in den Vorstand der OSK gewählt. Dem ARBÖ, Ortsgruppe Salzburg, gelang am 1. Mai 1958 das Kunststück, den ersten „Großen Preis von Österreich für Motorräder“ auf der Autobahn in Salzburg-Liefering abzuhalten.
Aufbruch in die als „Roaring Sixties“ bezeichnende Dekade. Die bereits als „Kinder des Krieges“ bezeichnete Generation gründete selbst Familien und gebar die Generation, die heute als „geburtenstarke Jahrgänge“ bezeichnet wird. Es war auch die Zeit, in der man mit viel Fleiß und Nachbarschaftshilfe ein Haus bauen konnte. Die Salzburger kristallisierten sich als erfahrene Motorradveranstalter heraus. Anfangs noch in Liefering, später in Anif-Grödig lieferten sie perfekte internationale Läufe ab. Als „Rupert Hollaus Gedächtnisrennen“ sind diese Rennen bis heute in Erinnerung. Diese Autobahnteilstücke boten hervorragende Bedingungen, mussten aber irgendwann dem öffentlichen Verkehr übergeben werden, was dann? Inzwischen ist die Rivalität der Knittelfelder und dem ÖASC so groß geworden, dass sich Willy Löwinger in den Kopf gesetzt hat, in Aspern das erste Formel 1-Rennen abzuhalten. Ehrgeizig und zielstrebig verfolgte er sein Ziel, um es dann am 16. April 1961 zu verwirklichen. Mit 1000 Pfund Startgeld lockte er den englischen Superstar Stirling Moss an den Wiener Stadtrand. Der Rest des Starterfeldes war ziemlich dürftig und so war es für Moss im Lotus 18 ein leichtes Spiel. Die Steirer ließen sich mit der Retourkutsche nicht lange Zeit und hielten ihrerseits am 17. September 1961 das erste Formel 1-Rennen mit einem absoluten Weltklassefeld ab. Das Grand Prix-Feld war fast komplett in der Steiermark versammelt. Nur Ferrari fehlte: Trips ist eine Woche zuvor in Monza tödlich verunglückt. Innes Ireland, ein ehemaliger Fallschirmjäger, um den sich viele Legenden ranken, gewann im Lotus-Climax vor Doppelweltmeister Jack Brabham (Cooper-Climax) und Jo Bonnier (Porsche). Vierter wurde der kommende Superstar Jim Clark, ebenfalls Lotus-Climax. Dieser „Preis von Österreich“ war eine gewaltige Veranstaltung, der nur der WM-Status fehlte. Aus terminlichen Gründen gab es 1962 keinen Grand Prix der Formel 1 auf heimischem Boden. In diesem Jahr fand der FIA-Kongress erstmals in Österreich statt und die Steirer betrieben so richtiges Lobbying, um den ersten Formel 1-Lauf nach Zeltweg zu holen. STAMK und STMSC traten ab nun gemeinsam auf und hielten am 1. September 1963 den „1. Großen Preis von Österreich“ in Zeltweg ab. Zwar noch kein WM-Lauf, aber doch ein Probegalopp für das nächste Jahr. Nicht alle waren zufrieden. Es stellte sich heraus, dass für die immer schneller werdenden Boliden diese Buckelpiste nur bedingt geeignet war. Als Sieger stand Jack Brabham am Podest.
In dieser turbulenten Zeit gab es für uns Österreicher, in der Person von Jochen Rindt, ein ganz besonderes Geschenk, „a Narrischer ohne Nosn“ war ein erster Eindruck von Helmut Zwickl. Rindt war zeitlebens deutscher Staatsbürger, fuhr aber mit österreichischer Lizenz. Begonnen im Tourenwagen, wechselte er 1963 in die Formel Junior, wo er hauptsächlich durch seinen wilden Fahrstil auffiel. Rindt wollte mehr und stieg 1964 mit einem Brabham BT10 in die Formel 2 ein. Es war eine eher durchwachsene Saison. Dann kam am 18. Mai seine persönliche Sternstunde in „Crystal Palace“, wo er die Weltelite wie Clark, Hill, Arundell, und Bandini niederkämpfte. Die englische Presse konnte es kaum begreifen, dass ein Unbekannter die Briten auf heimischem Boden bezwang. Am 23. August 1964 ging dann der erste Weltmeisterschaftslauf auf dem 3,2 km langen Kurs des Militärflugplatzes in Zeltweg über die Bühne. Es sollte ein ereignisreiches Rennen werden, geprägt durch das große Favoritensterben. Surtees, Gurney und Clark hatten Aufhängungsschaden. Rindt brach bei seinem Formel 1- Debüt am Brabham die Lenkung. Phil Hills Cooper landete in den Strohballen und brannte völlig aus. Vor 40.000 begeisterten Zuschauern siegte letztendlich Lorenzo Bandini im Ferrari. Aber dieser „Waschrumpel“ wurde für die Zukunft der WM-Status, allerdings nur für Formel 1-Rennen, entzogen. Nun verdichtete sich die Erkenntnis, dass nur eine permanente Rennstrecke die Formel 1 wieder nach Österreich zurückbringen konnte. Aber die Formel 1 ist nicht alles, und so wurden für Autos oder Motorräder in den nächsten Jahren viele spannende Rennen ausgetragen. Salzburg, Aspern, Zeltweg, Langenlebarn und unzählige Bergstraßen waren die Schauplätze. Viele Supertalente traten in Jochens Fußstapfen wie Quester oder Marko bei den Automobilen und Thalhammer oder Schneider bei den Zweiradlern. Mit den großen Automobilimporteuren und der deutschen Automobilindustrie im Rücken sah Löwinger in der Nähe zu Salzburg und der deutschen Grenze den Standort Thalgau am geeignetsten. Der Engländer John Webb wollte sich ursprünglich mit 15 Millionen Schilling beteiligen, machte aber später einen Rückzieher. Die Salzburger Landesregierung unter Landeshauptmann Hans Lechner stand ebenso tatkräftig hinter dem Vorhaben. Blicken wir wieder ins Weltall. Da düsten die Russen und die Amerikaner hurtig los, Ziel war der Mond, vorerst nur mit unbemannten Sonden. Es war nicht einfach, dieses in Bewegung befindliche Ziel zu treffen, mal flog die Sonde am Mond vorbei und ein andermal zerschellte diese auf der Mondoberfläche. Insgesamt hatten beide Parteien zusammen 25 Fehlschüsse. Langsam holten die Amerikaner auf, indem Armstrong und Scott die ersten Kopplungsmanöver im All gelangen. Alles schien möglich, bis am 27. Jänner 1967 die ersten Opfer zu beklagen waren. Beim Test von Apollo 1 fing die Kapsel Feuer und die drei Astronauten Grissom, White und Chaffee verbrannten hilflos an ihrem Arbeitsplatz. Danach ruhte das Apolloprogramm für 20 Monate. Auch die Russen hatten ihr tödliches Drama, als beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre bei Kamarows Kapsel der Fallschirm versagte.
Konstruktionen fuhren die Stars reihenweise nationale und internationale Erfolge ein. Huber, Breinsberg, Riedl, Ertl, Peter, Quester, Marko, um nur einige zu nennen, griffen erfolgreich ins Lenkrad der Boliden aus Eßling und freuten sich allesamt auf die erste permanente Rennstrecke in Österreich. Ein Ersatzort im Nesselgraben wurde mit Hilfe der Nachbargemeinden Koppl und Plainfeld rasch gefunden. Dort war man aber durch die topographischen Gegebenheiten etwas eingeengt und Löwinger musste „seine“ Strecke in die enge Talrinne hineinpferchen. Das Resultat waren etwas eigenartige Vorhaben, wie z. B. der Rennleiterturm gegenüber den Boxen ohne Tunnel unter der Strecke. Die Einfahrt in die Boxen war ausgerechnet am Ausgang der sehr schnellen Fahrerlagerkurve. Ein Kuriosum waren die, der Start-Ziel-Geraden abgewandten Boxen. Der ÖASC als größter Motorsportveranstalter des Landes war dadurch etwas ins Hintertreffen gelangt. Schon damals kristallisierte sich heraus, dass die Formel 1 für diese Strecke weniger geeignet war, wohl aber für die Motorrad-WM. Es tauchte auch der Name „Salzburgring“ erstmals auf. Daraufhin klang den Steirern der Name „Aichfeldring“ etwas zu provinziell und man nannte das Projekt von nun an „Österreichring“. Dr. Tiroch und Dir. Löwinger versuchten beide auf ihre Weise die Öffentlichkeit, die Industrie und die Medien für das jeweilige Vorhaben zu begeistern. Es war über die Jahre ein mediales Match, teilweise mit fragwürdigen Methoden. Helmut Zwickl brachte es auf den Punkt und beschrieb die Situation damals so: „Erklärte Dr. Tiroch in Zeltweg ,Wir bauen‘, erklärte Dir. Löwinger in Wien ,Auch wir bauen‘.“ An einer Nebenfront tauchte aber noch eine dritte Rennstrecke auf. Erwein Graf Schönborn, damals Rennleiter bei Bosch, machte den Vorschlag auf seinem Gut (Schloss Schönborn, zwischen Stockerau und Hollabrunn) eine Rennstrecke zu erbauen. Aus der Rennstrecke wurde nichts, stattdessen gibt es dort heute einen der schönsten Golfplätze des Landes. Im April 1968 fand der Spatenstich in der Obersteiermark statt und damit rollten auch die ersten Bagger an. Der Spatenstich und Baubeginn in Salzburg folgte im Herbst 1968. Sportlich gesehen hatte sich 1968 Rindt inzwischen in der Formel 1 etabliert und eilte in der Formel 2 von Sieg zu Sieg. Derweil begann ein junger Wiener mit dem Namen Andreas Nikolaus Lauda seine Rennkarriere. In Österreich gab es rege Bautätigkeit, in Wien wurde mit dem U-Bahnbau am Karlsplatz begonnen und in den Bundesländern Salzburg und Steiermark wurden gewaltige Erdbauarbeiten durchgeführt, um die beiden Rennstrecken fertigzustellen. Am 16.Juli 1969 startete das Raumschiff Apollo 11 mit der mächtigen Saturn V-Rakete in Richtung Mond. Eine Reise, die in der damaligen Zeit, genauso wie heute, gar nicht zu begreifen ist. Alleine der Lärm, der den Start dieses 111 m hohen Giganten begleitete, wurde damals als der gewaltigste von Menschenhand erzeugte Ton bezeichnet, abgesehen von der Atombombe. 21. Juli um 3:56 (MEZ) als erster Mensch die Mondoberfläche. Aldrin folgte eine halbe Stunde später. Dies war der Augenblick, der die ganze Welt vereinte und so manchen Tränen in die Augen trieb. Selbst der Klassenfeind, in Form der damaligen UdSSR, freute sich mit den drei Helden. Drei Tage später landete die Kommandokapsel samt ihrer Besatzung im Pazifik und wurde anschließend mit der „USS Hornet“ nach Hawaii gebracht. Knapp eine Woche später wurde das zweite Duell dieser Geschichte zu Gunsten der Steiermark entschieden. Kaum waren die letzten Baumaschinen verschwunden, wurde am 27. Juli der neu erbaute Österreichring durch Dr. Tiroch, Landeshauptmann Josef Krainer sen. und Manfred Mautner-Markhof (Präsident des ÖAMTC) feierlich eröffnet. Ausgeschrieben waren zwei Läufe zur Motorrad-Staatsmeisterschaft, ein Tourenwagenrennen, ein Formel V-Lauf und ein internationales Sportwagen/Prototypenrennen. Es gab damals natürlich noch keinen elitären Paddock-Club am Boxendach. Dort waren ein paar Tische aufgestellt, wo man gemütlich ein steirisches Bier und Würstel mit Senf zu moderaten Preisen bekam. Am Boxendach war sogar das Rauchen erlaubt, obwohl in der Boxengasse selbst noch die Boliden aus dem Benzinkanister und mit Trichter betankt wurden. Ein illustres Bild gaben auch die Streckenposten ab. An diesem heißen Sommertag standen sie in Badehose unterm Sonnenschirm, direkt am Streckenrand. Sämtliche heimische Motorradstars wie Prügl, Zach, Krasensky, Maxwald, Bergold oder Minich lieferten sich tolle Duelle. Dr. Helmut Marko gewann auf Chevrolet Camaro das Tourenwagenrennen vor „Lemmy“ Hofer und Sepp Manhalter. Die Startliste bei den Tourenwagen oder Formel V las sich wie ein Lexikon: Böhringer, Huber, Pust, Wendlinger, Daurer, Koinigg, Ertl, Bross, Rudolph, Schurti … Das Hauptrennen führte über insgesamt 40 Runden zu je 5,9 km und war international sehr gut besetzt. Die „Schwedenbomben“ Jo Bonnier und Ronnie Peterson zählten in ihren bärenstarken Lola T70 ebenso zu den Favoriten wie Masten Gregory, Rindts Co beim Le Mans Sieg 1965, im Porsche 908 und David Piper, ebenfalls Lola T70. Weiters meldete Piper einen „pipergrünen“ Ferrari 250 LM für Chris Craft, dieser erschien aber leider nicht zum Rennen. Das Alfa Romeo-Werksteam, unter der straffen Führung von Carlo Chiti, mit dem Fahrerduo Ignazio Giunti und Andrea de Adamich, zählte mit den 33/3 Prototypen ebenfalls zu den Sieganwärtern. Die Österreicher hatten auch ordentlich aufgerüstet. Unsere heißesten Eisen waren Rudi Lins und Peter Peter in ihren Salzburger Werksporsches 908/2 von Porsche-Salzburg. Zwei Tage vor dem Rennen kaufte sich Otto Stuppacher mit Hilfe seiner Mutter einen Porsche 910 und erreichte damit auf Anhieb Platz 6 im Training, Chapeau! Berndt Brodner, Richard Gerin, Kurt Rieder und Sigi Pust investierten ebenso in die Weissacher Plastikbomber 906 und 910. Erich Glavitza und „Gustl“ Deutsch nahmen das Rennen mit ihren extrem flachen Lotus Europa in Angriff.
Das Rennen selbst wurde für die 35.000 Zuschauer zu einer wahrlich imposanten Attraktion. Die Texaco-Schikane entpuppte sich als Sargnagel für Piper und Peterson und deren Lola T70, Peterson versenkte sein Juwel in einem Wassergraben. Porsche Salzburgs Boliden waren auch vom Pech verfolgt: Lins hatte Motorschaden und Peter rutschte in der Texaco in die baustellenartige Auslaufzone. Gregory fuhr scheinbar einem Start-Ziel-Sieg entgegen. In der letzten Runde stiegen plötzlich dunkle Rauchwolken aus dem 908er Heck und Gregory kriecht nur mehr im Schritttempo aus der Texaco-Schikane. Gregory gab seinem hinter ihm fahrenden Freund Richard Broström ein Zeichen, dieser schubste Gregorys 908er über den letzten Hügel und rollte so seinem vermeintlichen Sieg entgegen. Gregory wurde als Sieger gefeiert, mit Lorbeerkranz geschmückt und eine Stunde später nach einem Protest Alfa Romeos letztendlich disqualifiziert. Sieger wurde dadurch Andrea de Adamich im Alfa 33/3 vor Jo Bonnier im Lola T70 und Otto Stuppacher hielt die österreichische Fahne als Dritter hoch. Einen tollen sechsten Platz erreichte Brodner im 906 und Rieder sicherte sich im selben Fabrikat den achten Platz. Am 20./21. September folgte dann die Premierenveranstaltung am Salzburgring, wie schon in Zeltweg ohne Jochen Rindt, der andere Verpflichtungen hatte. Als Veranstalter traten der ARBÖ, ÖASC und SAMTC gemeinsam auf. Am Samstag wurden insgesamt vier Motorradrennen und ein Tourenwagenrennen abgehalten, diese waren jeweils als „nationaler Preis von Salzburg“ deklariert. Die Stuttgarter Mercedes Benz AG brachte den nagelneuen Versuchswagen C 111, mit Wankel-Motor, an die Strecke, um mit prominenten Gästen einige Runden zu drehen. Das Formel V-Rennen war ein Kampf der „Kaimänner“ gegen Austro V. Das Rennen mit 38 Startern lief über 15 Runden und war durch spannende Kämpfe und einigen Abflügen sehr unterhaltsam für die Zuschauer.
Nachdem sowohl in Zeltweg als auch in Salzburg jeweils die erste Hürde einer erfolgreichen Eröffnung geschafft war, entwickelten sich die zwei Rennstrecken auf ihre eigene Art weiter. Löwinger und Tiroch wurden nie Freunde. Dr. Gustav Tiroch starb 1982 mit nur 58 Jahren an einem Gehirnschlag. Drei Monate vor seinem 97. Geburtstag starb in einem Wiener Pflegeheim Dir. Willy Löwinger, Jahrgang 1916. Ohne die beiden gäbe es vielleicht heute keinen Salzburgring oder Red Bull Ring. Der Salzburgring hatte über die fünf Jahrzehnte seiner Geschichte den ursprünglichen Namen beibehalten. Aus dem Ö-Ring wurde zwischenzeitlich der A1-Ring und hat jetzt sein Dasein unter dem Namen Red Bull Ring.
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