Horopito Motor Wreckers |
Geschrieben von Christian Frasz | |
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Eigentlich war es ein Zufall. Im Tongariro National Park bekam ich vom Direktor des Hotels einen Tipp, der in keinem Reiseführer steht: „Dich interessieren alte Autos? In einem kleinen Dorf in der Nähe gibt es ein Oldtimermuseum. Aber in diesem stehen nur wenige Autos. Und dann gibt es noch sehr, sehr viele Wracks“, erklärt er. „Die Leute fahren eigentlich deswegen hin. Das gibt es nur in Horopito!“ Eigentlich war es ein Zufall. Im Tongariro National Park bekam ich vom Direktor des Hotels einen Tipp, der in keinem Reiseführer steht: „Dich interessieren alte Autos? In einem kleinen Dorf in der Nähe gibt es ein Oldtimermuseum. Aber in diesem stehen nur wenige Autos. Und dann gibt es noch sehr, sehr viele Wracks“, erklärt er. „Die Leute fahren eigentlich deswegen hin. Das gibt es nur in Horopito!“ Horopito – das Dorf mit dem Autoverwerter – liegt rund 300 Kilometer nördlich der Hauptstadt Wellington. In längst vergangenen Zeiten – im 19. Jahrhundert – war der Ort eine lebendige Stadt mit Holzindustrie und hunderten Arbeitsplätzen. Es gab eine Schule, zwei Hotels, eine Bank, ein Postamt und sogar einen Stripklub. Mit dem Niedergang der Holzindustrie in den 1920er-/30er-Jahren verließen die Menschen die Gegend und suchten sich neue Jobs in anderen Landesteilen. Heute führen Colin Fredricksen und seine Frau Barbara das Familienunternehmen. Begonnen hat alles in den 1930er-Jahren mit Barbaras Vater Bill Cole. Er hat ein Sägewerk geführt und nebenbei eine kleine Werkstatt betrieben. Die Farmer der Gegend kamen zu ihm, wenn etwas kaputt war. Egal, ob landwirtschaftliche Geräte, Traktoren, Lkws oder Autos. Alles, was Instand gesetzt werden konnte, verließ die Werkstatt. Alles was nicht repariert werden konnte, hat Bill aufgehoben. Kommt man zur Firma, wirkt alles unscheinbar. Man sieht von der Straße nicht, was alles auf dem Gelände herumsteht oder herumliegt. Im Haupthaus beim Eingang begrüßt Barbara, die das Office leitet, die Kunden und Besucher des Autoplatzes. Der Eintritt kostet zehn New Zealand Dollar (rund sechs Euro). Schon im Ersatzteillager sieht man, welche Mengen und Vielfalt an Ersatzteilen in den letzten acht Jahrzehnten angehäuft wurden: Regale voll mit Vergasern, Zylinderköpfen, Scheinwerfern. In einer Ecke lehnen Lenksäulen von Fahrzeugen aus den 20er- und 30er-Jahren. In einem Teil gibt es Scheinwerfer, in einem anderen Radkappen und im nächsten nur Instrumente. An der Decke hängen Lenkräder. Ob es 200, 300 oder 500 sind, kann man nicht schätzen. In einer Ecke lehnen Stoßstangen, an den Wänden Kotflügel und Kühler. In der ersten Halle stehen zehn, fünfzehn Autos dicht gedrängt: vom Porsche 924 bis zum Chevrolet aus den 1930ern. Im blauen Overall dazwischen geht „Chef“ Colin Fredricksen von einem Fahrzeug zum anderen. „Um ein Uhr nachts haben wir das letzte Auto abgeschleppt“, erzählt er. „Wir machen den Pannendienst in der Region.“ Die Abschlepp-Lkws dafür stehen einsatzbereit vor dem Firmengelände. Ob die Werkstätte auch für moderne Autos ausgestattet sei, lautet meine Frage. Er lächelt und antwortet: „Nein! Die hier nicht. Aber wir haben noch einen zweiten Standort im Nachbardorf Reatihi. Dort gibt es ein paar Computer, die braucht man heutzutage bei den neuen Autos. Doch bevor wir sie hochfahren, schauen wir mal, ob wir den Defekt nicht auch so beheben können. Und das gelingt uns in 90 % aller Fälle“, grinst Colin. 45 Autos aus der Sammlung der Familie Fredricksen warten darauf, dem Publikum präsentiert zu werden, erzählt Colin. „Eines meiner nächsten Projekte ist, das Museum professioneller zu gestalten. Denn mittlerweile kommen eine Menge Touristen vorbei und schauen sich unsere Fahrzeuge an“, erklärt der Chef. Hinter dem kleinen Museum geht es richtig los: Am Freigelände gibt es Autos ohne Ende und weitere Hallen mit noch mehr Autos und Ersatzteilen. Unter einem Flugdach lagern dutzende Autotüren, unter einem anderen Kotflügel und Motorhauben. In einer der Hallen ist die „Abteilung“ für Innenausstattung: Sitze und Rückbänke liegen in oder auf Fahrzeugen. Zwischen den Wracks im Freien gibt es einen Berg aus Felgen, zwischen anderen Fahrzeugen lagern Hinterachsen oder Rahmen. Auf die Frage, ob es bei der Lagerung über die Jahrzehnte hinweg ein System gegeben hat, antwortet Colin mit Augenzwinkern: „Ja! Es wurde alles chronologisch aufgestellt.“ Was zuerst kam, steht näher am Hauptgebäude und der Werkstatt. Alles, was später kam, steht etwas weiter weg oder wurde irgendwo drauf gestellt. Freie Plätze wurden aufgefüllt. Was nie gebraucht oder verkauft wurde, blieb am Platz. Das ganze Areal wurde Stück für Stück erweitert, bis es 15 Hektar groß war. Die Fahrzeuge kamen ohne Zutun quasi automatisch durch den Abschleppdienst und die Werkstatt. Wer ein altes Fahrzeug entsorgen wollte, konnte es nach Horopito bringen. So kam es zu den geschätzten 5.500 Fahrzeugen und unzähligen Ersatzteilen. „Die neueren Fahrzeuge ab Baujahr 1980 entsorgen wir immer wieder. Sonst ginge das Areal irgendwann total über“, erklärt Colin. „Die alten Fahrzeuge bleiben wie sie sind. An denen wird nichts mehr verändert. Das ist für mich Automobilkultur, das ist unser Museum.“ Was soll ich tun, wenn ich in Österreich lebe und beispielsweise ein Rücklicht für einen 1931er Chevrolet benötige? „Dann ist es das Beste, wenn du mir ein Mail mit vielen Fotos sendest. Wir haben eine eigene Internetseite mit unserer Kontaktadresse. Internationaler Versand ist kein Problem. Wir schicken Ersatzteile in die ganze Welt“, antwortet Colin. „Und wer möchte, kann ja gerne persönlich vorbeikommen!“
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