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Donnerstag, 28. März 2024
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Geschrieben von Thomas Villinger   

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„Ich hab g’merkt, des is a Teil meines Körpers, des hat mir so g’folgt wie der kleine Finger. Auf den Millimeter genau hat das Auto alles gemacht, darum war das so perfekt! Es geht alles so auf ganz kurzem Weg und ganz exakt, es gibt nur ganz geringe Bewegungen, das Auto hängt immer am Gas …

… Dieses Gesamtkunstwerk und dazu der Fahrer, der ein Teil dieses Autos wird, das hat es ausgemacht, dass du mit dem Auto Dinge machen konntest, so präzise, wie mit keinem anderen Auto … Drum sag i, 1983 war das schönste Jahr in meiner Rallye-Karriere mit diesem Auto, vom Start bis zum Ende nur ein Genuss, das ganze Jahr.“ Das erzählt kein geringerer als Herr Walter Röhrl von seiner Zeit mit dem Lancia 037 in einem YouTube Video https://www.youtube.com/watch?v=AiLy6inWK90 . Diese Aussagen vom wohl genialsten Autofahrer der Welt und die wunderbaren Sequenzen im beeindruckenden YouTube-Video – „Tribute“ mit dem Lancia 037(dabei speziell zu beachten der linke Vorderreifen; auf der offiziellen Walter Röhrl-Homepage http://www.roehrl-walter.de/neu/), haben mich bewogen, mich mit dem Konzept Mittelmotorwagen zu beschäftigen.

Walter Röhrl, der mit jedem Auto eine gute Figur macht, soll neben den automobilen Größen wie einem Audi Sport Quattro S1 oder einem Porsche 911 noch ein Auto, einen Liebling des Herzens haben? Ein Auto das ihm passt, wie ein Maßanzug?

Um diesem Phänomen, der Faszination Mittelmotorwagen auf die Spur zu kommen, habe ich ein Auto gewählt, das mich seit der Jugend begeistert, das ich mir aber noch nie gegönnt habe, dem Fiat X1/9.


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Dieser Wagen ist ja auch der Ahnengalerie des Lancia 037 bzw. dessen Grundmodells des Lancia Beta Montecarlo hinzuzuzählen. Dieser war die Weiterentwicklung des Fiat X1/9 und hieß vorerst Fiat X1/20. Aus markenpolitischen Gründen wurde er bei Fiat zur Lancia-Abteilung geschoben und so zum Lancia Beta Montecarlo.

Ich habe bislang keinen Fiat X1/9-Eigner gekannt. Was liegt also näher, als sich beim österreichischen Fiat X1/9-Club zu melden, mit der Bitte, dieses Auto vorgestellt zu bekommen. Das traf sich dann heuer auch außerordentlich gut, da ich mit meiner Frau Elfi sowieso den Seiberer Bergpreis per Oldtimerfahrrad bestreiten wollte und Herr Christian Liebl, Clubvorstand des Fiat X1/9-Clubs, in eben dieser Region weilt. Gesagt, getan; nach einem strapaziösen Training am Vormittag des Rennens auf meinem Puch Clubman, freute ich mich auf ein anregendes Gespräch mit Christian. Als „Starter“ zeigte er mir gleich das bis zur Kellerdecke gefüllte Ersatzteillager, welches vor allem auch einige Preziosen für den X1/9 enthält. Christian erzählte mir vom Club, den es seit 1991 offiziell gibt und natürlich vieles mehr vom X-ie, wie er liebevoll genannt wird. Nach dem Textteil fragte ich ihn, ob wir nicht noch eine Runde drehen könnten, um das Erzählte etwas zu untermauern. Christians X1/9 ist ein silberfarbener 1500er mit 85 PS der 2. Serie, Bj. 83, 1989 gekauft. Er fährt mit mir bei geöffnetem Dach die Wachauer Bundesstraße entlang. Ich habe in dem Ding als 1,91 m Mann gerade mal Platz, d.h., das Auto dürfte nicht kleiner und ich nicht größer sein. Doch es ist darin gemütlich und durchaus bequem. Das sonore Brummen des Antriebsaggregats unmittelbar hinter dem Sitz erzeugt eine stimmige Kulisse zum Fahrerlebnis. In Spitz an der Donau hält Christian und überlässt mir das Steuer. Ich frage nur kurz: „Du lässt mich wirklich fahren …?“, und schon bin ich am Fahrersitz gesessen. Hoch erfreut, ob dieses Vertrauensbeweises, schaltete ich gefühlvoll das gewohnt hakelige Fiat-Getriebe hoch. In Weißenkirchen angekommen, frage ich, ob ich noch kurz auf den Seiberer abbiegen dürfte. Überglücklich pilotiere ich den X1/9 die kurvige Straße hinauf, wo ich Jahre zuvor meinem Fiat Uno 75 IE die Sporen gegeben habe. Vorsichtig versuche ich die Grenzen dieses Wagens abzutasten. Kurve um Kurve wächst die Begeisterung. Noch nie bin ich ein Auto gefahren, das sich in Kurven so neutral verhält, keine Antriebseinflüsse und kein Unter- oder Übersteuern gezeigt hat; – kein Auto, bei dem alles so herrlich direkt ist, einfach wunderbar. Zugegeben, die Straße war trocken. Da muss man schon in Extremsituationen kommen, um das definitiv ausloten zu können. Zum Hochrechnen der Fahreigenschaften reicht’s allemal und im Gespräch mit der halben Clubbelegschaft sind mir diese erlebten Fahreigenschaften auch bestätigt worden. Im Extrembereich schiebt das Ding eigentlich über alle Räder gen Kurvenaußenrand, sprich, wenn die Haftgrenze der Reifen überschritten wird. Ich denke mir, da könnte auch bei so manchen sicherheitsfanatischen Geistern kein Wunsch nach ESP etc. aufkommen.


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Nach diesem wunderbaren Ausflug (Christian, nochmals danke!), verabschiede ich mich und treffe mich mit ihm, seiner Frau und vielen X1/9-Freunden im September bei der Herbstausfahrt des Fiat X1/9 Clubs in St. Pölten wieder. Bei der anschließenden Ausfahrt durch die Wachau war genügend Zeit, um mich mit interessanten X-ie-Fahrern zu unterhalten.

Karl lobt als Besitzer von 27 weiteren Oldtimern, die meisten davon Mittelmotorautos, das knackige, direkte Fahrverhalten des X1/9. Er bedauert jedoch, dass Autos, wie der X-ie im unteren Preissegment angesiedelt, häufig schlecht gewartet sind, das heißt Vorsicht beim Kauf.

Herbert hat seinerzeit einen schwarzen X1/9 mit Totalverspoilerung gekauft. Diese Spoiler, so sagt er, verringern die Luftzufuhr erheblich, dass es bei Bergstraßen zu Hitzeproblemen kommt. Mit teilweise geöffnetem Motordeckel löst sich das Problem.

Franz hat seinen X1/9 1992 vom Schrottplatz geholt, ein X1/9 der 1. Serie, mit Löchern am Heckblech und einer niederen Fahrgestellnummer. Er hat unlängst einen zweiten X1/9 gekauft und will daraus einen sogenannten Dallara (dem Fiat X1/9 Dallara nachempfunden) machen. Es gibt dafür ein Bodykit zu kaufen. Der Umbau ist sehr aufwendig und kostspielig.


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Klaus hatte Glück gehabt; er hat 2002 in Tulln einen wunderbaren 25 Jahre alten grünen X1/9 mit 18.000 km kaufen können. Seither fährt er rostlos glücklich, vor allem zu Treffen.

Andreas hat seinen 1500er-Vergaser seit 10 Jahren. Das Fahrwerk des Fiat X1/9 ist für Andreas kaufentscheidend gewesen. Für das Ausschöpfen des Potenzials des X-ies ist natürlich ein guter Reifen, als hoffentlich einzige Verbindung zur Straße, maßgeblich. Fahrwerkmäßig gibt’s natürlich auch Tieferlegungssätze, die das Auto härter machen, aber die Bodenhaftung verbessern. Zum Schrauben ist der Fiat X1/9 relativ gut. Selbst beim Kupplungstausch muss der Motor nicht ausgebaut werden. Meine Bedenken gegenüber allgemeinen Hitzeproblemen beim Fiat X1/9 zerstreut Andreas. Bei Serien- bzw. leicht getunten Fahrzeugen wird Hitze nur mit alten Kühlern zum Problem – nach einem allfälligen Kühlertausch löst sich das sofort. Das Kühlsystem hat nämlich, durch den in der Frontschürze integrierten Kühler und den stattlichen Leitungslängen (ca. 12 Liter Kühlwasserinhalt) einen großen Pufferspeicher. Bei doch unerwartet auftretenden Kühlproblemen gäbe es zusätzlich noch zwei recht einfache Möglichkeiten, das zu verbessern: den Motorraumdeckel leicht geöffnet zu halten bzw. einen zusätzlichen Kühler einzubauen, wie sie bei den späten Modellen mit Klimaanlage (für eben diese) verbaut waren.


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Gottfried hat drei Stück Fiat X1/9 und fährt X-ies seit jungen Jahren. Die bis 1978 gebauten 1300er sind die Besseren, sagt er. Die haben zwar etwas weniger PS und nur vier Gänge, drehen aber leichter und sind agiler als die späteren 1500er. Ein Grund dafür ist seiner Meinung nach der Verteiler, der bei dem Modell direkt an der Nockenwelle angeflanscht ist. Es ist ein kleinerer Verteiler mit kürzeren Unterbrecherfedern eingebaut, der schneller reagiert. Der Platz an der Nockenwelle hat bei den späteren Modellen dem Vergasergebläse Platz machen müssen. Der Vergaser neigt nämlich bei „Staufahrten“ im fahrtwindgeschützten Motorraum zu Dampfblasenbildung. Der 4. Gang ist beim 1300er lang ausgelegt und passt harmonisch ins Gesamtkonzept.

 Jan-Luc Armagnacq hat in seinem ausführlichen Buch FIAT Bertone X1/9 – Sportive-Futuriste-Stylée den Fiat X1/9 im Rennsport beschrieben.

Fiat hat sich viel Mühe mit dem Fiat X1/9 Abarth Prototipo gegeben. Er sollte den aktuellen Rallyewagen Fiat 124 Abarth Spider ablösen, der bei den Rallyes mehr und mehr Terrain an den Lancia Stratos verliert. Der Motorenzauberer Aurelio Lampredi, Designer Mario Collucci und der Testfahrer Gino Macaluso legten die Basis für die Homologation in der Gruppe 4. Bei sechs nationalen Rallyes in Italien und neun Rallyes in Frankreich starteten drei Fiat X1/9 Abarth Prototipo, alle per Hand gefertigt. Die Presse und die Fahrer waren begeistert, das Auto war schneller als der Fiat 124 Abarth Spider und zeitweise auch als der Lancia Stratos. Bemängelt wurde lediglich die geringe Bodenfreiheit bei unwegsamem Gelände und die Enge des Fahrgastraumes. Die Unterbringung von Renndokumenten und Fahrtenbuch gestaltete sich mitunter schwierig, ebenso wie die Aufbewahrung von Helmen und anderen Utensilien.


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Der Vertrag zur Homologation Gruppe 4 des Fiat X1/9 Abarth zur Teilnahme an der Rallye-WM wurde unterzeichnet, die Werkzeuge zur Produktion der dazu erforderlichen 400 Stück Fahrzeuge wurden hergestellt. Und dann, das plötzliche Aus; Fiat hat zugunsten ihrer Markenpolitik das Projekt Fiat X1/9 Abarth gestoppt. Der Lancia Stratos, der ja nun durch die Übernahme der Firma Lancia zum Fiat-Konzern gehörte, war dem Fiat X1/9 zu ähnlich und zum Gegenspieler im eigenen Hause geworden. Zudem verkauft sich der Fiat 131 weit unter den Erwartungen. Gründe, um den sehr erfolgversprechenden Angriff des Fiat X1/9 Abarth abzublasen und den Fiat 131 Abarth als verkaufsförderndes Zugpferd zu installieren. Kurz vor seinem Tod 1997 soll Nuccio Bertone dem ehemaligen Testfahrer Gino Macaluso seine Verbitterung über diesen Schritt des Fiat-Konzerns mit folgenden Worten Ausdruck verliehen haben: „Erinnerst du dich an den Fiat X1/9 Abarth? Die Montagelinien waren fertig und die Produktion wurde eingestellt. Es gab nichts, was wir dagegen tun konnten.“ Doch es gab einige andere Rennsportunternehmen, die sich des Fiat X1/9 annahmen. In weniger als sechs Monaten nach Präsentation des Serien Fiat X1/9 hat das Schweizer Rennsportunternehmen Scuderia Filipinetti den ersten Fiat X1/9-Rennwagen im März 1973 vorgestellt. Ein originaler 1300er-Motorblock mit 16 Ventilen und Kugelfischer-Einspritzung leistet 190 PS bei 10.000 U/min. 15 Tage vor dem ersten Rennen der Targa Florio bestreitet der Wagen erste kleinere Wettkämpfe, die äußerst erfolgreich verliefen. Voller Erwartung fiebert der Rennstall dem großen Auftritt des Kleinen entgegen. Doch durch den plötzlichen Tod von Georges Filipinetti wurden alle weiteren Rennen annulliert und die Pforten des zehn Jahre alten Rennstalls für immer geschlossen.


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Gian Paolo Dallara, der z.B. für den Lamborgini Miura und Espada verantwortlich zeichnet, hat sich auch des Fiat X1/9 angenommen, um ihn in die Gruppe 5 der Rundstreckenautos zu bringen. Für die Aufnahme in die Gruppe 5 muss lediglich die allgemeine Form, d.h. die Silhouette des Fahrzeuges erhalten bleiben. Es durften großzügige Spoiler und Flügel verbaut werden. Zur Homologation brauchten nur 30 Stück dieses Autos gebaut werden.

Es wurde der Motor vom X1/9 1300 cm³ mit 16-Ventil-Zylinderkopf, zwei obenliegende Nockenwellen und mit Kugelfischer-Einspritzung verbaut, mit ca. 180 PS. Etwas später wird ein 1600er-Motor mit 230 PS mit längerem Hub entwickelt. Der Dallara Icsunonove wurde im Herbst 1975 auf dem Pariser Automobilsalon vorgestellt. Seine beeindruckende mattschwarz-gelbe Karosserie, welche die ursprünglichen Linien des X1/9 wiedergibt, hat großes Aufsehen erregt. Der Wagen war sofort verfügbar. Aufgrund des hohen Preises wurde von Dallara der Motor und auch der Zylinderkopf alleine verkauft, so dass sich Amateure ihren wettbewerbsfähigen X1/9 nach eigenen Vorstellungen bauen konnten. So waren es häufig private Teams, die mit dem Dallara X1/9 starteten und gegen BMW und Porsche in einem sehr harten Wettbewerb standen. Häufig wurde der Dallara X1/9 bei Bergrennen eingesetzt, hauptsächlich in Italien und Frankreich.


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Trotz der teilweise schicksalshaften „Karriere“ des Fiat X1/9 ist das Konzept richtig, zumindest für all jene, die ein günstiges, kompromisslos sportliches Auto wollen. Die überschaubare Motorleistung bei den Serienfahrzeugen, schwimmt der X1/9-Fahrer im Alltagsverkehr prima mit.

Richtig eingesetzt, d.h. die passende Straße gewählt (z.B. Seiberer Berg & diverse Passstraßen), macht das Ding großen Spaß. Für die Leistungshungrigen gibt’s ja immer noch Tuningmöglichkeiten. Ein jährliches Highlight ist das European X1/9-Meeting am Nürburgring. Es findet nächstes Jahr zum 35. Male vom 7. bis9.8.2020 statt.

 
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